Die Einschränkungen durch die Pandemie sind für uns alle spürbar. Doch wie kommen Menschen mit Einschränkungen und ihre Assistenten durch diese Zeit? Eine Bewohnerin und ein Mitarbeiter des Hauses Wallenhorst, einer Einrichtung der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück (HHO), geben einen Einblick in die Erlebnisse der vergangenen Wochen.
Die Bewohner und Mitarbeiter des Hauses Wallenhorst haben das komplette Spektrum der Einschränkungen durch die Pandemie erlebt – von der strikten Quarantäne über extreme Kontaktbeschränkungen bis hin zu ersten Lockerungen. Diese Erfahrungen schweißen zusammen, da sind sich Bewohnervertreterin Stefanie Reimann und HHO-Mitarbeiter Günther Langemeyer einig, wenn sie sagen: „Wir halten zusammen!“
„Relativ früh nach Einführung der Kontaktbeschränkungen wurde ein Mitarbeiter positiv getestet und alle Kontaktpersonen sind 14 Tage in Quarantäne gegangen, die Kolleginnen und Kollegen nach Hause, die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses hier“, erinnert sich Günther Langemeyer. Für die 24 Menschen mit Einschränkungen, die in drei Gruppen im Haus der HHO Wohnen gGmbH in Wallenhorst leben, bedeutete dies, dass sie ihren engsten Lebensraum nicht verlassen sollten. Die Einhaltung dieser Empfehlung wurde sogar noch schwieriger, als sich nach der Gruppentestung herausstellte, dass eine Bewohnerin des Hauses positiv getestet wurde. „Das war nicht einfach“, sagt Stefanie Reimann, die im Mai zur Bewohnervertreterin des Hauses gewählt wurde.
Positive Grundstimmung
Doch selbst in dieser Zeit herrschte eine positive Grundstimmung. „Die größte Herausforderung lag und liegt darin, einerseits selbst immer die aktuellen Regelungen seitens des Gesundheitsdienstes sowie der HHO präsent zu haben und umzusetzen und andererseits auch Menschen mit größeren kognitiven Einschränkungen die sich ständig ändernde Situation verständlich zu machen“, so Günther Langemeyer. Er ist froh, dass das Team des Hauses in der Coronazeit durch Fachkräfte aus anderen Bereichen der HHO, beispielsweise aus der Werkstatt in Wallenhorst oder dem Bereich Kindheit & Jugend, unterstützt wurde: „Das ist eine tolle Zusammenarbeit und eine große Hilfe“, betont er.
In den Wochen vor und nach der Quarantäne ließen sich alle miteinander viel einfallen, um die Zeit möglichst abwechslungsreich zu gestalten: „Wir veranstalten Filmabende in den Wohngruppen, sind viel im Garten, wo wir unter anderem gemeinsam die Kästen neu bepflanzt haben, und haben einen kleinen Kiosk im Haus eingerichtet, weil die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses nicht selber einkaufen sollten.“ Auch wenn diese meist guter Dinge sind, sei der „Corona-Alltag“ doch sehr einseitig, wie Stefanie Reimann feststellt: „Es fehlt die Arbeit, der Besuch von Freunden und Familie aber auch die Therapien, die jetzt wochenlang nicht stattfinden konnten“, sagt die 28-Jährige, die vor allem ihre Ergotherapeutin vermisst hat. „Und es war schon ein wenig traurig, den Geburtstag ohne Familie zu feiern“, sagt sie und fügt gleich danach hinzu: „Aber wir haben hier zusammen gefeiert, mit selbstgemachter Pizza!“ Für diese Haltung gepaart mit einem hohen Maß an Disziplin bewundert Günther Langemeyer die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses: „Ich ziehe wirklich den Hut davor, wie harmonisch, positiv und zugleich diszipliniert die Menschen hier zusammenleben!“
Sorgen um Teilhabe
Gerade deshalb bedauert er, dass in den offiziellen Verordnungen nicht differenziert wurde, sondern alle Menschen mit Einschränkungen in besonderen Wohnformen zum eigenen Schutz länger zuhause bleiben sollten als der Rest der Bevölkerung. „Viele der hier im Haus lebenden Menschen hätten sich sicher adäquat verhalten. Sie sind hier im Ort auch gut integriert. Da ist in den letzten sieben Jahren vieles gewachsen und wir hoffen alle, dass das auch nach der Corona-Krise, in der wir hier sehr isoliert leben, wieder so sein wird.“ Die Hausbewohnerinnen und -bewohner halten derzeit vor allem über Soziale Medien die Kontakte zu Angehörigen und Freunden, wie Stefanie Reimann berichtet. Dennoch freuten sich alle über die ersten Lockerungen – für deren Umsetzung man gemeinsam sehr kreative Lösungen gefunden habe, wie Stefanie Reimann erklärt: „Wir haben einen Einkaufs-Eignungs-Test entwickelt. Das sind acht Fragen zu den Dingen, die man beim Einkaufen derzeit unbedingt beachten muss, um sich und andere zu schützen, zum Beispiel Abstand halten, einen Einkaufswagen nutzen, Hände waschen und so weiter.“
Lichtblicke
Jetzt freuen sich alle miteinander erst einmal über die neuen, kleinen Freiheiten – und auf die Urlaubszeit. „Einige von uns fahren jetzt für ein paar Tage zur Loreley, wo wir in einer Ferienwohnung übernachten“, erklärt Stefanie Reimann. „Das große Roland-Kaiser-Konzert fällt zwar aus, aber wir freuen uns trotzdem! Und nach den Ferien gibt es vielleicht noch mehr Normalität“, meint Stefanie Reimann und lacht: „Aber egal, wie es kommt, wir packen das schon, denn wir halten zusammen!“
N. Pa./pm, Foto: HHO Heilpädagogische Hilfe Osnabrück