Es sei ihr zunächst ein bisschen schwer gefallen, als sie von der Ehrung erfahren habe, erklärte Wächter, denn „eine Person kann eigentlich nicht inklusiv leben – da gehören mehrere dazu, zum Beispiel unsere Gruppe.“ So leitete sie Lob und Dank auch gleich an ihre Mitstreiter und die ehrenamtlich engagierten Gäste in der Ruller Wittekindhalle weiter: „Am liebsten würde ich den Stein in viele kleine Steine zerteilen und mit Ihnen allen und mit unserem Team teilen.“
Die Jury hatte sich für Wächter als Preisträgerin entschieden, da sie bei ihren vielfältigen Projekten stets den inklusiven Aspekt in den Vordergrund stellt. So erläuterte Petra Eckhardt in ihrer Laudatio: „Sie wünscht sich für Menschen mit Behinderung einen Raum, in dem sich alle Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, auf Augenhöhe begegnen können.“ Und sie sei sich sicher: „Erst wenn die verschiedensten Barrieren in den Köpfen der Menschen ohne Behinderung abgebaut sind, können wir von Inklusion sprechen.“ Begonnen habe Wächters Engagement aus eigener Betroffenheit heraus nach der Erstkommunion ihres Sohnes im Jahr 2001. Sie habe ein Angebot geschaffen, das Menschen – damals noch Kindern – mit Behinderung „einen Raum geben sollte, den es bis dahin in der Gemeinde Wallenhorst nicht gab“, erklärte Eckhardt. So habe sie die Regenbogengruppe gegründet, die sich bis heute regelmäßig zu Freizeitaktivitäten treffe. 2008 sei das Angebot um das Regenbogen-Café erweitert worden – geöffnet für jedermann an jedem ersten Samstag im Monat im Wallenhorster Pfarrheim. Weitere inklusive Projekte folgten: beispielsweise das Kunstprojekt „NEU.e HEIMAT“, die Aufnahme einer CD mit Weihnachtsliedern oder der Chor „Die Buntgemischten“.
Bei all den ganzen Projekten finde sie persönlich besonders die kleinen Sachen schön, erzählte Stefanie Wächter: wenn Nachbarn oder Bekannte anriefen und einfach mal auf einen Kaffee einladen oder gemeinsam zum VfL fahren würden. „Das ist gelebte Inklusion.“
Gelebte Inklusion stellten in Person auch die beiden Ehrengäste des Abends dar: der ohne Unterarme und mit einem verkürzten Oberschenkel geborene Referent, Pfarrer, Kabarettist sowie Paralympicssieger, Welt- und Europameister im Tischtennis Rainer Schmidt und der aus Äthiopien stammende NDR-Moderator, Sänger, Autor, Entertainer, Schauspieler und Plattdeutsch-Experte Yared Dibaba.
„Inklusion ist die Kunst des Zusammenlebens verschiedener Menschen“, fasste Schmidt das Thema zusammen und brachte die oft komplex ausfallenden Antworten auf die Frage „Was ist eigentlich Inklusion?“ auf den Punkt. „Inklusion heißt, das Zusammenleben wird schöner“, sagte er und berichtete von seinen Erfahrungen im Alltag – lustig, teils selbstironisch und mit einer gesunden Portion schwarzen Humors. „Ich bin froh, dass ich nicht so langweilig aussehe wie mein Publikum.“ Wenn man anders aussehe, werde es nie langweilig. Und so erzählte er von seinen Erlebnissen beim Ausfüllen von Meldekarten an Hotel-Rezeptionen, bei der Passbeantragung mit Fingerabdruck im Bürgeramt oder einfach von Begegnungen mit anderen Menschen. Anders sein hätte aber auch eine Leidensdimension. So hätte seine Oma nach seiner Geburt sofort gedacht, was der Junge nur mal werden könne. „Zum evangelischen Pfarrer hat es gereicht“, so Schmidt. Er erzähle so viele lustige Dinge in seinem Grußwort, denn das Beste sei es doch, wenn man sich über Inklusion gar keine Gedanken mehr machen müsse. An das Publikum gerichtet appellierte der selbst für Flüchtlinge, Hospiz und Kirche engagierte Rheinländer: „Hände, Hirn und Herz dürfen Sie benutzen so oft sie wollen – je öfter, desto besser werden sie.“
„Moin!“, begrüßte Yared Dibaba die Gäste in der Wittekindhalle. Im Gespräch mit Moderator Sven Lake berichtete der gebürtige Äthiopier unter anderem von seiner Kindheit in Osnabrück. Im Kindergarten am städtischen Krankenhaus sei er zusammen mit seinem Bruder am ersten Tag ziemlich allein unter vielen weißen Kindern gewesen. Doch es habe nicht lange gedauert, „da waren wir inkludiert.“ Zu Osnabrück habe er außer seiner Kindheit aber noch eine andere Beziehung, berichtete Dibaba. Sein Frau, ein gebürtige Portugiesin, käme aus dem Schinkel. Lakes Frage, wie er dazu gekommen sei, Plattdeutsch zu sprechen, beantwortete das NDR-Multitalent augenzwinkernd: das habe er von seinem Uropa im Süden Äthiopiens – der Wiege der Menschheit – gelernt. Er habe ihn als Entwicklungshelfer für die plattdeutsche Sprache dann nach Norddeutschland geschickt. Humorvoll zeigte Dibaba dann Parallelen zu seiner Muttersprache auf und stellte fest, dass es auch im Emsland „viele schwarze Plattschnacker“ gebe. „Ich habe noch keinen gesehen“, überlegte Lake. „Ich meine das politisch“, klärte der NDR-Moderator seinen „Kollegen“ auf.
Humorvoll erzählte Dibaba auch von seinen inklusiven Erlebnissen im Alltag. Schön seien immer wieder Dialoge im Café: „Wie willst du deinen Kaffee haben?“ „Guck mich an.“ „Schwarz?“ „Nein, ohne Haare.“ Inklusion spiele sich im ganzen Leben ab, so der Wahl-Hamburger, der sich für Seenotretter, Hospizarbeit und die im Bürgerkrieg lebenden Menschen in seiner Heimat Äthiopien engagiert. Auch Menschen, die aus einer anderen Heimat hier her kämen, müsse man inkludieren. „Das hat was mit Respekt zu tun.“
Das Showprogramm zwischen den Gesprächsrunden gestalteten die inklusiven Tanzgruppen der Patsy & Michael Hull Foundation, „Stay Phazzed“ und „New Hope Generation“, die als frisch gekürte Welt- und Vizeweltmeister ihres Fachs nach Wallenhorst gekommen waren. Musikalisch begeisterten die Brockhouse Big Band sowie „Takkatina“, die Band der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück, die gemeinsam mit dem Chor „Die Buntgemischten“ unter Leitung von Stefanie Wächter auftrat. Beeindruckt vom inklusiven Chor zeigte sich Yared Dibaba: „Ich komme wieder. Dann bringe ich meinen Shantychor mit und wir singen gemeinsam.“
Zum Abschluss gab Moderator Sven Lake bei seinem „Heimspiel“ in Rulle noch einen Ausblick auf das kommende Jahr. 2018 werde der Tag des Anstoßes am Freitag, 2. November, in der Sporthalle Lechtingen stattfinden. Das Jahresthema laute dann „Aktiv vereint im Sport“.
pm/wa, Fotos: Thomas Remme
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